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Geschichte und Zukunft der Freiberufler (Teil 2): Freelance Fiction 2030

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Wie wird die Arbeitswelt 2030 aussehen?  Vor zwei Wochen habe ich über die Geschichte der Freiberuflichkeit und des Freelancertums geschrieben. Jetzt wage ich einen ersten Ausblick.

Um diesen Ausblick einordnen zu können, einige Experten-Prognosen:

  • Aus Atypisch wird Typisch: Je nach Optimismus der zitierten Fachleute werden 2030 30-50% der Arbeitsverhältnisse das sein, was man heute atypisch nennt, also in seinen unterschiedlichen Varianten selbstständig oder mit Zeit-Projektverträgen ausgestattet.
  • Die Stärken von morgen sind nicht von gestern: In den Konzernen werden vor allem Management- und Führungstätigkeiten verbleiben, wobei sich die Führung stark verändern muss, im Sinne des Organisierens von Zusammenarbeit, und mehr und mehr auch auf Externe beziehen.
  • Die Haltbarkeit von Jobs wird immer kürzer: Die 10 gefragtesten Jobs 2010 haben 2004 noch gar nicht existiert, verkündet in diesem sehenswerten Video die Bitkom. Das Tempo, mit dem sich Jobs verändern, dürfte kaum nachlassen.
  • Job-Sicherheit ist passé. Das US-Department of Labor rechnet damit, dass die Amerikaner bis zum Alter von 38 Jahren 10-14 Jobs gehabt haben werden. Bei den unter 30jährigen beträgt die durchschnittliche Jobdauer schon heute unter 2 Jahren.

Wohin könnte diese Reise vor diesem Hintergrund für Freelancer führen?

#These 1: Angestellt und freiberuflich wächst zur Auftragsbeschäftigung zusammen

Über kurz oder lang wird es vermutlich egal sein, in welchem Sozialversicherungsstatus man sich nun gerade befindet, denn Projekte dominieren alles, was sich verändert.  Projekte lassen sich in Arbeitsaufträge zerlegen und müssen  nicht in einem Bürogebäude stattfinden.  Der kleine äußere Unterschied derzeit: Die einen schreiben Rechnungen, die anderen nicht. Der kleine innere Unterschied aktuell: Die einen sind im, die anderen außerhalb des Systems „Unternehmen“. Wenn indes Systeme weder Schutz noch Heimat bieten, gibt es keinen Grund mehr IN  ihnen zu leben. Deshalb, so denke ich, werden sich der kleine innere und der kleine äußere Unterschied in Luft auflösen. Äußerlich gefördert etwa durch eine Bürgerversicherung, die Sozialversicherungsungerechtigkeiten zwischen Angestellten und Freiberuflern einebnet.

Ach ja, müßig zu sagen, dass Projektarbeit den IT-Bereich gar nicht verlassen muss, da  sowieso alles mit IT gemischt ist. Es ist keine Zusatz- sondern eine Basisqualifikation.

#These 2: Keine Akquise mehr

Die einen schicken ihre Akquisebriefchen und die anderen jagen Freelance-Fleisch. Beide schießen auf diesen Wegen mit ihren Flinten nicht nur auf (die raren) Hasen, sondern auch auf Gänseblümchen. Es muss auch anders gehen.

Creative Crowdsourcing-Plattformen wie Jovoto zeigen eine Variante: Firmen geben Arbeitsaufträge  via Netz heraus und wer Lust auf den Auftrag hat, z.B. ein Innenarchitekturkonzept, bewirbt sich. Da ist derzeit noch viel Marketing-Drumherum, die Firmen suchen mit solchen Aufträgen Publicity in den sozialen Netzwerken. Sollte sich ändern.

Vielleicht gibt es über kurz oder lang eine Art Push-System über das Projektanfragen an Interessenten gesendet werden… vielleicht entwickelt sich auch Twitter in so eine Richtung weiter. Vielleicht werden auch einfache private Empfehlungsnetzwerke verfeinert. Oder alles irgendwie verknüpft.

In den Co-Working-Spaces könnten Scouts Ihre Büros haben, die für Unternehmen nach Wissensarbeitern suchen. Da es immer schwieriger wird Kompetenz via Internet zu beurteilen, mischen diese sich unter das projektarbeitende Volk und vermitteln zwischen ihm und der Firma.

#These 3: Aufträge für Kreations- oder Know-how-Überlassung und nicht für Zeit-Investment

Was es bisher nur auf Vorstandsebene und VIP-Beratervertragsebene gibt, könnte sich auf alle Ebenen ausweiten: Wissensarbeiter bekommen Verträge über 1, 2, 3 Jahre, die allerdings nicht gebunden sind an ihren Einsatz in Arbeitszeit und auch nicht an Erfolg (der hier sowieso nicht messbar wäre), sondern in „Zeit für Wissensüberlassung“.

Mit einem Insider-Hinweis nach kurzer Analyse kann man Unternehmen vor Fehlentscheidungenbewahren, die es Jahre kosten – und das auf Basis einen Stundensatzes von 150 EUR zzgl. Mwst. berechnen? Kein zeitgemäßes Modell mehr. Und innovatives Design ist nun auch kaum als Stundenaufwand abbildbar, sondern kann auch in 5 Minuten produziert sein. Um so kreativ sein zu können, muss man aber vorher erheblich in sich selbst und seine Kenntnisse investiert haben. Das muss sich dann irgendwo niederschlagen.

#These 4: Wissen kumuliert

In vielen Bereichen dominieren derzeit Freelancer mit stark vergleichbarem Leistungsangebot: Redaktion, Text, Design, Coaching…. Wer etwa zwei bis drei Jahre Erfahrung hat, kann auf gleichem oder ähnlichen Niveau seine Leistungen anbieten wie viele andere auch – und mehr fragt der Markt vielfach im Moment auch gar nicht nach. Die eher fallenden Honorare für die breite Masse in diesen Bereichen zeigen das Problem: zu niedrige Spezialisierungsgrade, zu wenig innovative Know-how-Kombis.

Denn nur wenn Wissen kumuliert, steigt sein Wert: Mit den Jahren reihen sich Erfahrungen aneinander wie Perlen an eine Kette, die insgesamt „verkauft“ wird (und auch mehr nachgefragt sein werden).  Manchmal machen die einzelnen Perlen erst im Nachhinein Sinn, doch es wird zunehmend wichtig, systematisch Bindeglieder zu finden. Es ist weniger der Inhalt wichtig (wir haben gesehen: derzeit überholt sich Wissen in drei Jahren) als Fähigkeiten, etwa Informationen zu beschaffen und zu bewerten, zu konzeptionieren usw.

#These 5: Der „Zehnte“ für die Weiterbildung

Früher gab mal den Zehnten für die Kirche, in Zukunft für die Weiterbildung. Einmal im Jahr was Neues lernen ist 2030 ganz normal. Ich könnte mir vorstellen, dass Projektarbeiter Kenntnis-Upgrades in Zukunft mitverhandeln. Möglicherweise individualisiert sich damit auch Bildung, denn es gibt immer weniger Standardthemen.

Tatsache: Wenn wir sechs Jahre studieren, ist das Wissen aus den ersten drei Jahren schon veraltet, wenn es sich nicht um  vergleichende Literaturwissenschaft handelt, was für mich nebenbei die Frage aufwirft, ob Erststudien wirklich inhaltlich angelegt sein sollten oder sich nicht besser auf eine breite Grundlagenbildung beziehen sollten.

#These 6: Karenzzeiten mit Geld für den Anschluss

Wer sich mehrere Monate oder gar Jahre an ein Unternehmen bindet, braucht Geld für die Zeit „danach“. Dann muss er Wissen auffrischen und warten, bis sich etwas Neues ergibt. Über kurz oder lang werden schlaue Leute beginnen für so etwas Karenzgeld auszuhandeln. Das ist bei angestellten Jobs ganz genauso: Die Zeiten bis nach einer spezialisierten Tätigkeit etwas neues gefunden wird, werden immer länger. Siehe These 1.

#These 7: Das Ende der Solo-Unternehmer

Bisher ist der Freiberuflermarkt von Einzel-Selbstständigkeiten dominiert. Sie waren das Thema des letzten Jahrzehnts. Doch aus verschiedenen Gründen halte ich Einzelkämpferexistenten für Auslaufmodelle:

  1. Zusammenarbeit wird inzwischen allerorts schon sehr früh gefördert. Kooperation wird Norm und nicht Ausnahme.
  2. Hinzu kommt ein viel früheres Bewusstsein für eigene Stärken und generell mehr Selbstbewusstsein durch andere Erziehung.  Wer sich eigener Stärken früh bewusst ist, braucht keinen Egotrip. Er entdeckt auch nicht erst mit 40, dass andere Menschen anders ticken als er selbst…
  3. So wunderbar die Arbeit im Home Office ist, so toll ist es, wenn man sich austauschen kann. Das erklärt die Wahnsinnskarriere der Co-Working-Spaces.
  4. Um attraktiver Auftragnehmer von Konzernen zu sein, muss man größer auftreten. Fluide Netzwerke scheiterten bislang immer daran, dass große Unternehmen formalistisch auswählen (dabei vom derzeit teils und in Zukunft oft falschen Gedanken ausgehend, dass gleiche Expertise am Markt mehrfach vertreten ist): über preferred supplier-Listen, auf denen eben nur namhaftere GmbHs auftauchen. Freelancer gehen bei diesen GmbHs unter Vertrag. Dies ist sehr stark verbreitet in der IT, aber auch in anderen Bereichen im Kommen, etwa bei Lektoratsdienstleistungen. Die Reutax-Insolvenz zeigt indes, dass das Modell der Vermittler-GmbH für Freelancer ein erhebliches Risiko bürgt. Ich glaube deshalb nicht, dass diese Form langfristig eine befriedigende Lösung bieten kann.  Mit steigendem Spezialisierungsgrad wird vermutlich auch die Not der Unternehmen steigen, Experten auch als Freelancer oder Freelancerteams zu buchen – siehe These 2. So ist das ja bereits jetzt, etwa bei Speakern und bekannteren Trainern. Möglich auch, dass es Unternehmen gibt, die Experten gezielt vermarkten, so eine Art „Expertenagentur für….“

Das fällt mir bis hierhin ein. Vielleicht kommt später noch was dazu. Haben Sie Ideen?


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